„Dann gehe ich eben ohne dich“ – Warum kein Kind diese Worte jemals hören sollte

Teile diesen Artikel

Vorgestern war ich mit meinen Töchtern im Tierpark. Da wir dort unweigerlich auf andere Familien treffen, höre ich häufig so einige Aussagen, die Eltern gegenüber Kindern tätigen, die mich echt traurig stimmen.

Zum einen bedaure ich sehr, dass so viele Kinder so eine Vielfalt von demütigendem Verhalten ihnen gegenüber aushalten müssen, zum anderen spüre ich die Hilflosigkeit und den Schmerz der Eltern, die selbst keine anderen Strategien zur Konfliktlösung zur Verfügung (gestellt bekommen) haben, als zu drohen, zu strafen und mit den Ängsten ihrer Kinder „zu spielen“. Vermutlich wurden ihnen in ihrer eigenen Kindheit ähnliche Worte entgegengebracht und ihnen fehlen einfach die Handlungsalternativen, was sie stattdessen tun können. Dazu beizutragen, dass zu ändern ist Teil meiner VISION.

Was löst der Satz beim Kind also aus?

Heute mag ich daher aufschlüsseln, was dieser leider so berühmte Satz „Dann gehe ich jetzt eben ohne dich.“ für Kinder bedeutet und was es mit ihnen macht. Was es nachhaltig für sie bedeutet, denn kurzfristig wird der Satz in den meisten Fällen zu dem von den Eltern gewünschten Ergebnis führen, die Kinder werden mitkommen.

Langfristig verlieren die Kinder jedoch das Vertrauen in die Eltern, die sie doch eigentlich behüten, beschützen und immer für sie da sein sollten. Und nun wollen genau diese sie plötzlich einfach alleine stehen lassen? Obwohl es ihnen gerade sichtbar nicht gut geht? Wie passt das zusammen?

Dass die Eltern nicht ohne sie gehen würden und sie mit ihrer Drohung nur zu Gehorsam zwingen möchten, ist den kleinen Menschen in diesem Moment nicht klar.

Die Kinder werden von starken Gefühlen überströmt. Denn sie wollen ja nicht nur noch bleiben, zu Ende spielen, ihre jeweilige Tätigkeit beenden, nein, nun sind sie auch noch zusätzlich der Angst ausgeliefert, ihre wichtige Bindungsperson könnte einfach so weggehen und sie alleine lassen. Sie geraten in großen Stress, ihre Urangst, schutzlos alleine zurück gelassen zu werden, wird aktiviert. Damals in der Steinzeit war es überlebensnotwendig, auf keinen Fall alleine zurück gelassen zu werden. Der sicherste Ort war der auf dem Arm einer vertrauten Person, da das Kind so sicher gehen konnte, „mitgenommen“ zu werden, wenn die Sippe weiter zog.

Sie beginnen in dieser Situation nun also zu weinen, zu schreien, sie möchten auf den Arm, um die (überlebenswichtige) Verbindung zu ihren Eltern wiederherzustellen. Wird ihnen diese verwehrt, weil die Eltern denken, sie trotzen ja bloß, sie konnten den ganzen Tag schließlich auch alleine laufen, sie wollen jetzt nur ihren Willen durchsetzen, ist dies für die Kinder eine emotional sehr belastende Situation. Häufen sich diese, können das Urvertrauen der Kinder und die Qualität der Beziehung zwischen Eltern und Kind großen Schaden nehmen. Das Kind kann sich nicht mehr sicher drauf verlassen, dass seine Eltern für es da sind, wenn es sie am dringendsten braucht.

Kinder sind abhängig von ihren Bindungspersonen. Ihr Überleben hängt von dem Wohlwollen dieser ab. Und das wissen Kinder auch. Demnach tun sie alles dafür, um mit ihnen zu kooperieren.

Wenn das mal nicht klappt, spielen sie keine Machtspiele, sie tyrannisieren ihre Eltern nicht, sie sind gerade einfach nur zu erschöpft, zu müde, zu hungrig, um zu kooperieren.

Was kann ich denn stattdessen tun?

Oft hilft es schon, sich in herausfordernden Situationen einige Fragen zu stellen, um aus dem Das-muss-jetzt-aber-so-Gedankenkarussel raus zu kommen:

• Müssen wir wirklich schon gehen?

• Oder haben wir vielleicht noch ein paar Minuten Zeit, damit das Kind seine Tätigkeit beenden kann?

Im Falle des Tierparks wäre das z.B.

• Muss ich wirklich den ganzen Park schaffen oder reicht es mir, wenn mein Kind Freude an einzelnen Tieren/ Spielplätzen hat und dort die Zeit verbringt?

• Habe ich wirklich keinen Euro mehr für die Traktorfahrt, weil das Geld knapp ist oder bin nur ich gerade der Meinung, dass es „irgendwann auch mal reichen muss“.

Und wenn es doch mal passiert ist?

Wenn dir dieser Satz doch mal heraus gerutscht ist und es dir leid tut, dann sag es genau so deinem Kind. Entschuldige dich bei ihm und versichere ihm, dass du es niemals alleine lassen würdest. Dass es dir gerade selber nicht gut ging, dass du gestresst warst, dass du hungrig warst, oder was auch immer gerade mit dir los war.

Wir alle machen Fehler. So vermittelst du deinem Kind gleich mit, dass es total ok ist, auch mal einen Fehler zu machen und danach die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Teile diesen Artikel

Weitere Artikel

Alltag

Die 10 Gebote zur Stärkung deiner inneren Ressourcen

Als Mama ist es ziemlich leicht, sich in den täglichen Anforderungen und Verpflichtungen selbst zu verlieren. Zwischen Windeln wechseln, Hausaufgaben beaufsichtigen, Mahlzeiten zubereiten und endlosen

Du möchtest ein Teil der Family InFlow-Community werden und wünscht dir Austausch und Impulse für einen entspannten Familienalltag? Dann folge mir auf Instagram oder Facebook. Ich freue mich auf Dich!

Du möchtest meine Infos und Impulse direkt in deinen Posteingang? Dann geht´s hier zum Family InFlow-Letter!

© 2022 Irina Behm – Family InFlow